Kaum Ostdeutsche in Führungspositionen: Eine unbemerkte Ungerechtigkeit
Eine jüngst veröffentlichte Studie offenbart ein bekanntes, aber oft übersehenes Problem: Ostdeutsche sind in Führungspositionen von Behörden und Unternehmen weiterhin stark unterrepräsentiert. Carsten Schneider, Ostbeauftragter der Bundesregierung, stellte die Ergebnisse dieser Untersuchung, den sogenannten „Elitenmonitor“, vor und brachte damit eine Diskussion ins Rollen, die längst überfällig ist.
Der „Elitenmonitor“: Ein Blick auf die Fakten
Die Studie, durchgeführt von Wissenschaftlern aus Leipzig, Jena und Cottbus, zeigt, dass nur zwölf Prozent aller Führungspositionen in privaten deutschen Unternehmen von Ostdeutschen besetzt sind. Dies steht in krassem Gegensatz zu ihrem Bevölkerungsanteil von etwa 20 Prozent. Bei den Bundesbehörden sieht es geringfügig besser aus: Der Anteil an ostdeutschen Führungskräften stieg von 13,9 Prozent im Jahr 2022 auf 15 Prozent in diesem Jahr. Dennoch bleibt die Unterrepräsentation eklatant.
Ein strukturelles Problem
Carsten Schneider, selbst Ostdeutscher, berichtete von einem Treffen mit dem Handelsverband, bei dem er vor 50 Managern sprach. Keiner von ihnen kam aus dem Osten, was sowohl ihn als auch die Anwesenden überraschte. Diese Episode verdeutlicht, wie tief verwurzelt das Problem ist: Die Herkunft wird in vielen Unternehmen nicht einmal erfasst, geschweige denn als relevanter Faktor betrachtet.
Die Ursachen: DDR-System oder westdeutsche Netzwerke?
Während frühere Studien die „Langzeitwirkung des DDR-Systems“ als Hauptursache für die geringe Präsenz von Ostdeutschen in Führungspositionen nannten, klingt dies heute anders. Schneider betonte, dass Ostdeutschsein kein Makel, sondern ein Qualitätsmerkmal sei. Er lobte das Improvisationstalent und die Transformationserfahrung seiner Landsleute, die oft aus dem Nichts etwas aufgebaut hätten.
Die Rolle der Netzwerke
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass innerhalb von vier Jahren 57 Prozent der Führungspositionen neu besetzt wurden, jedoch überwiegend mit Westdeutschen. Dieses Phänomen beschreibt der Literaturprofessor Dirk Oschmann in seinem Buch „Der Osten, eine westdeutsche Erfindung“ als ein „sich selbst fortsetzendes System“. Netzwerke und soziale Vererbung spielen eine entscheidende Rolle.
Ernüchternde Erkenntnisse und der Ruf nach Veränderung
Gesine Grande, Präsidentin der Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und Mitautorin der Studie, bezeichnete die Ergebnisse als „ernüchternd“. Sie betonte, dass Westdeutschen die Unterrepräsentation Ostdeutscher oft nicht bewusst sei und sie diese auch nicht als Problem ansähen. Innerhalb eines geschlossenen Systems falle so etwas eben nicht auf.
Ein strukturelles Umdenken ist notwendig
Grande forderte einen „Switch“ im Denken und Handeln. Ostdeutsche Eigenschaften würden in der Presse oft negativ bewertet, was zu einer weiteren Marginalisierung führe. Carsten Schneider ergänzte, dass sich das Problem nicht von alleine auswachsen werde und Maßnahmen erforderlich seien, um die Sichtbarkeit und Anerkennung ostdeutscher Biografien zu erhöhen.
Die Diskussion um eine Ost-Quote in Bundesbehörden, wie sie das Bündnis Sahra Wagenknecht fordert, hält Schneider allerdings für unrealistisch. Juristisch sei dies nicht durchsetzbar. Dennoch bleibt die Erkenntnis, dass ein strukturelles Umdenken notwendig ist, um die Ungerechtigkeiten zwischen Ost und West endlich zu überwinden.
Insgesamt zeigt die Studie, dass die deutsche Einheit in vielen Bereichen noch nicht vollständig vollzogen ist. Es ist an der Zeit, dass die Politik und Gesellschaft diese Ungerechtigkeit erkennen und aktiv dagegen vorgehen.
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