Ungarn bestellt deutsche Botschafterin wegen Rede zum Tag der deutschen Einheit ein
Die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Ungarn haben einen neuen Tiefpunkt erreicht. Die deutsche Botschafterin in Ungarn, Julia Gross, wurde ins ungarische Außenministerium einbestellt. Grund dafür war eine Rede, die sie anlässlich des Tags der Deutschen Einheit in der deutschen Botschaft in Budapest gehalten hatte.
Kritik an ungarischer Regierung
Julia Gross nutzte die Feierlichkeiten, um die Politik der ungarischen Regierung scharf zu kritisieren. In ihrer Rede prangerte sie die „russenfreundliche“ Haltung der Regierung von Premierminister Viktor Orbán an und warnte, dass Ungarn sich auf einem Weg befinde, der es von seinen Freunden entferne. Sie wies auch darauf hin, dass die ungarische Regierung im Gegensatz zu früher keine hochrangigen Vertreter mehr zur Feier des 3. Oktober in die deutsche Botschaft entsende.
Reaktionen aus Ungarn
Die Reaktion aus Budapest ließ nicht lange auf sich warten. Ungarns Außen- und Handelsminister Péter Szijjártó verurteilte die Rede von Gross scharf. Auf Facebook erklärte er, die Botschafterin habe sich „in ihrer gestrigen Rede auf eine die Souveränität Ungarns verletzende Weise in schwerwiegender Form in die inneren Angelegenheiten Ungarns eingemischt“. Solche Einmischungen werde man nicht akzeptieren und erwarte von allen in Ungarn tätigen Botschaftern Respekt.
Historische Spannungen
Diese diplomatische Auseinandersetzung ist nicht die erste ihrer Art. Bereits wenige Tage zuvor hatten Gross und der französische Botschafter Jonathan Lacote eine Protestnote an das ungarische Außenministerium gerichtet. Hintergrund war eine umstrittene Äußerung von Balázs Orbán, dem Politischen Direktor des Premierministers. Dieser hatte im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt erklärt, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hätte 2022 mit Russland verhandeln sollen, statt einen Krieg abzuwarten. Dieser Vergleich wurde von vielen als unglücklich und politisch problematisch angesehen.
Verzögerungen beim NATO-Beitritt
Gross kritisierte auch die Verzögerungen beim NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens. Ungarn hatte zu den letzten Ländern gehört, die den Beitritt ratifizierten, und offizielle Stellen in Budapest hatten terminliche Gründe angegeben. Beobachter vermuten jedoch, dass wiederholte Belehrungen vonseiten schwedischer Politiker hinsichtlich der ungarischen Innenpolitik den Prozess verzögert haben könnten.
Einmischung oder berechtigte Kritik?
Die Frage, ob es sich bei den Äußerungen von Julia Gross um eine unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten Ungarns handelt oder ob sie berechtigte Kritik äußerte, wird sicherlich noch weiter diskutiert werden. Fakt ist, dass die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern durch diesen Vorfall weiter belastet werden.
Diese Entwicklung zeigt einmal mehr, wie angespannt die Lage in Europa derzeit ist. Politische Differenzen und unterschiedliche Auffassungen über internationale Beziehungen können schnell zu diplomatischen Verwerfungen führen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation weiterentwickelt und ob es zu einer Entspannung oder weiteren Eskalation kommt.
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