Frankreich droht politische Unregierbarkeit: Linksbündnis überholt Rassemblement National
In einer überraschenden Wendung der politischen Landschaft Frankreichs hat das Linksbündnis „Neue Volksfront“ das rechte Rassemblement National (RN) überholt. Die zweite Runde der Parlamentswahlen am 7. Juli 2024 brachte Marine Le Pens RN deutlich weniger Sitze als erwartet. Allerdings bleibt auch das siegreiche Linksbündnis weit von einer eigenen Mehrheit entfernt, was Frankreich vor eine Phase der politischen Unregierbarkeit stellen könnte.
Wahlresultate und politische Absprachen
Am Sonntag fanden in 500 Wahlkreisen die Stichwahlen zur Großen Nationalversammlung statt. In 77 Wahlkreisen konnten Kandidaten bereits im ersten Wahlgang eine ausreichende Mehrheit erzielen. Der RN und seine Verbündeten hatten mit mehr als 33 Prozent die meisten Stimmen geholt, jedoch verhinderten Absprachen zwischen dem Linksbündnis und dem Lager von Präsident Emmanuel Macron weitere Erfolge des RN.
Der „republikanische Reflex“, wie dieses Vorgehen in Frankreich benannt wird, zeigte Wirkung: RN konnte zwar seine Sitze von 89 auf 126 ausbauen, blieb jedoch weit hinter den möglichen 270 Sitzen oder einer absoluten Mehrheit zurück. Das Macron-Lager, das im ersten Durchgang auf den dritten Platz gefallen war, konnte durch die Absprachen 158 Sitze erringen und damit an den Rechten vorbeiziehen. Die Republikaner und nahestehende Mitte-Rechts-Parteien kommen auf 67 Sitze.
Linksbündnis und interne Spannungen
Das Linksbündnis „Neue Volksfront“ ist der klare Gewinner des zweiten Wahlgangs und wird auf 180 Sitze in der Großen Nationalversammlung kommen. Jean-Luc Mélenchon, Führer der linken „La France Insoumise“, forderte Präsident Macron bereits dazu auf, der Linken den Auftrag zur Regierungsbildung zu erteilen. Doch innerhalb des Bündnisses gibt es erhebliche ideologische Spannungen, die eine stabile Regierungsbildung erschweren könnten.
Insoumise stellt mit 71 Mandatsträgern weiterhin die relative Mehrheit der linken Abgeordneten, während die Sozialisten mit 64 Sitzen aufgeholt haben. Die Grünen kommen auf 33 Sitze, die Kommunisten auf neun und sonstige Linke auf drei Sitze. Diese heterogene Zusammensetzung könnte schnell zu Konflikten führen, insbesondere da Insoumise und Sozialisten in vielen Fragen unterschiedliche Positionen vertreten.
François Hollande und sein politisches Comeback
Ein weiterer interessanter Aspekt dieser Wahlen ist das politische Comeback des früheren Staatspräsidenten François Hollande. Mit etwas mehr als 43 Prozent konnte er seinen alten Wahlkreis in Corrèze gegen Kandidaten des RN und der Republikaner zurückerobern. Hollande gilt in Teilen der Linken bereits wieder als möglicher Hoffnungsträger für die Präsidentschaftswahlen 2027.
Hollande hatte sich im November 2023 mit seiner Teilnahme am „Marsch gegen Antisemitismus“ in Paris ins politische Leben zurückgemeldet. Insoumise hatte sich ostentativ nicht an diesem Marsch beteiligt und kritisierte stattdessen die Teilnehmer als Verteidiger des „Völkermordes in Gaza“.
Uneinigkeit innerhalb der Linken
Die Linke ist sich zwar in zentralen innenpolitischen Fragen wie Mindestlohn, Abschaffung von Macrons Rentenreform und Ausbau der sozialen Fürsorge einig, doch in außenpolitischen Fragen und der NATO-Mitgliedschaft gibt es erhebliche Differenzen. Mélenchon hält die NATO für nicht mehr zeitgemäß und ist ein vehementer Gegner einer weiteren Unterstützung der Ukraine. Diese Positionen könnten innerhalb des heterogenen Linksbündnisses schnell zu Zerreißproben führen.
Macron auf schwieriger Suche nach Mehrheiten
Infolge des Wahlergebnisses hat Premierminister Gabriel Attal seinen Rücktritt angeboten. Ob Präsident Macron ihn annehmen wird, ist noch offen. Sollte Attal im Amt bleiben, müsste er mit wechselnden Mehrheiten regieren, was die Durchsetzung zentraler politischer Vorhaben erschwert.
Es wird auch über ein mögliches Expertenkabinett spekuliert, das Macron bis zur Präsidentenwahl 2027 im Amt lassen könnte. Dieses würde jedoch vor ähnlichen Problemen stehen. Eine „Koalition der Willigen“ könnte theoretisch einige politische Anliegen durchsetzen, doch eine stabile Mehrheit scheint derzeit in weiter Ferne.
Insgesamt steht Frankreich vor einer politischen Ungewissheit, die das Land vor erhebliche Herausforderungen stellen wird. Die kommenden Monate werden zeigen, ob und wie eine stabile Regierungsbildung möglich ist.
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