EU plant Verschärfung der Klimaziele: Wirtschaft warnt vor Realitätsverweigerung
Die EU-Kommission schlägt eine Intensivierung der Klimaziele vor, was in der deutschen Wirtschaft auf große Bedenken stößt. Die aktuellen Ziele gelten bereits als äußerst anspruchsvoll und scheinen kaum erreichbar.
Wirtschaft gegen schärfere Klimaziele: Verunsicherung durch die Transformation
Die deutsche Wirtschaft reagiert besorgt auf die neuen Forderungen der EU-Kommission. Achim Dercks, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), äußerte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), dass die ständige Formulierung neuer und höherer Klimaziele zu einer tiefen Verunsicherung in der Wirtschaft führe. Auch Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU), kritisierte den Vorstoß und betonte, dass es nichts bringe, langfristige Ziele immer weiter zu verschärfen, wenn kurzfristige Ziele nicht erreicht würden.
Besonders die Finanzierung der notwendigen Transformation bereitet der Wirtschaft Sorgen. Die Umstellung auf Elektrifizierung oder Carbon Capture and Storage (CCS) erfordert teure Infrastruktur, die privat finanziert werden müsste. Gleichzeitig sind die Anreize unzureichend: Stromkosten sind in der EU bereits hoch, während fossile Energien weiterhin preislich attraktiver bleiben.
Wissenschaft warnt: Pariser Klimaziele sind in der EU nicht zu erreichen
Auf der anderen Seite steht die Wissenschaft, die vor den Folgen des Klimawandels warnt. Laut dem wissenschaftlichen Konsortium Climate Action Tracker (CAT) wird die EU ihre Klimaziele bis 2030 nicht erreichen können. Die aktuellen Maßnahmen reichen lediglich aus, um die globale Erwärmung auf drei Grad zu begrenzen. Um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, müsste deutlich mehr getan werden.
Nach Angaben der EU-Kommission sind die Emissionen bis 2022 um 32,5 Prozent zurückgegangen. Bis zum 55-Prozent-Ziel müsste also innerhalb von acht Jahren fast genauso viel erreicht werden wie in den vergangenen 30 Jahren. Dies scheint angesichts der aktuellen Entwicklungen kaum realisierbar.
Deutschland stößt weniger Emissionen aus: Auch weil es der Wirtschaft schlecht geht
Auch in Deutschland zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Denkfabrik Agora Energiewende hat eine Treibhausgasreduktion von 46 Prozent im Vergleich zu 1990 im Jahr 2023 gemessen. Diese Einsparungen sind jedoch größtenteils auf Produktionsrückgänge in der Industrie zurückzuführen. In den Bereichen Gebäude und Verkehr gab es zwischen 2022 und 2023 kaum nennenswerte Reduktionen.
Besonders im Verkehrssektor wurden bisher nur elf Prozent weniger CO₂ ausgestoßen als noch 1990. Nach Angaben des Umweltbundesamtes stammen knapp 20 Prozent aller Treibhausgasemissionen aus diesem Sektor. Ingbert Liebing betonte in der FAZ, dass die Klimaziele 2030 heute schon in vielen EU-Staaten, einschließlich Deutschland, kaum erreichbar scheinen. Eine Festlegung auf minus 90 Prozent bis 2040 sei voreilig und riskant.
Norwegen als Vorbild: 2025 werden 100 Prozent der Neuzulassungen E-Autos sein
Ein Blick nach Norwegen zeigt jedoch, dass es auch anders gehen kann. Eine neue Untersuchung der Bertelsmann Stiftung zusammen mit dem Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS) stellt fest, dass das Tempo beim Umstieg auf E-Mobilität in Deutschland nicht ausreicht, um bis 2045 emissionsfrei zu sein. In Norwegen hingegen werden 2025 vermutlich 100 Prozent der Neuzulassungen E-Autos sein. Dies sei auf offensive finanzielle Anreize für emissionsfreie Fahrzeuge zurückzuführen, so Thorsten Hellmann, Wirtschaftsexperte der Bertelsmann Stiftung.
Auch im Gebäudesektor wird Deutschland abgehängt: Bis 2030 werden in Norwegen voraussichtlich in 100 Prozent der Gebäude Wärmepumpen stehen. Deutschland müsste den jährlichen Einbau von Wärmepumpen verdoppeln, um seine Klimaziele bis 2030 zu erreichen.
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