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12.07.2024
14:56 Uhr

Die neue Steuerklasse für Paare: Was die Pläne der Bundesregierung bedeuten

Die neue Steuerklasse für Paare: Was die Pläne der Bundesregierung bedeuten

Die Ampelkoalition plant ein Gesetz, das die Besteuerung von 14 Millionen Menschen grundlegend verändern könnte. Es geht um die Einordnung unterschiedlich viel verdienender Partner in eine neue Steuerklasse. Verheiratete und Menschen in eingetragenen Partnerschaften haben bisher die Möglichkeit, ihre monatlichen Steuerabzüge zu mindern. Dazu wählen der- oder diejenige mit dem höheren Einkommen einen günstigeren Steuertarif - Steuerklasse 3 - und der oder die andere einen teureren Tarif - Klasse 5. Dies führt dazu, dass das eine Netto sehr hoch und das andere sehr niedrig ist, wodurch beide zusammen mehr ausgezahlt bekommen. Im Jahr darauf wird die echte Steuerlast von Amts wegen berechnet, und das Paar muss meist nachzahlen - je größer der Einkommensunterschied ist, desto mehr. Im Grunde gibt der Staat Ehepaaren und Partnerschaften von Jahr zu Jahr immer aufs Neue quasi zinslos Kredit. Damit soll nun Schluss sein.

Steuerklasse 4 für alle

Das Bundesfinanzministerium arbeitet an einem Gesetzentwurf, den SPD, FDP und Grüne im Koalitionsvertrag vereinbart hatten. Danach werden die Steuerklassen 3 und 5 gestrichen. Paare sollen künftig nach Steuerklasse 4 zahlen müssen. Die wird an die einzelne Familie angepasst. Das Finanzamt errechnet die Einkommensverteilung des Paares, stellt Freibeträge fest und verteilt das auf die beiden Steuerpflichtigen ("Faktorverfahren"). Steuervorteile kommen dem "reicheren" Verdiener nicht mehr zu. Stattdessen haben beide dieselben Ansprüche und zahlen entsprechend ihres Einkommens Lohnsteuer. Das führt in der Summe regelmäßig zu höheren Monatsabzügen. Dafür werden aber kaum noch Nachzahlungen fällig.

Nachteile für Geringverdiener?

Da Frauen öfter in Teilzeit und in schlecht zahlenden Branchen arbeiten, verdienen sie in Ehen meist weniger als ihre Männer. Durch Wahl der Steuerklasse 5 bleibt diesen Frauen dann auch noch ein unverhältnismäßig geringes Monatseinkommen übrig. Das hindert viele Frauen, sich im Beruf weiter zu engagieren. Die SPD im Bundestag glaubt daher, die anstehende Steuerreform würde "vor allem die Frauenerwerbstätigkeit fördern".

Es gibt aber Bedenken. Was, wenn nicht nur die hochverdienende Investmentbankerin mit Krankenpfleger als Ehemann keinen zinslosen Staatskredit mehr bekommt? Fachleute halten es für denkbar, dass viele kinderreiche Familien mit geringem oder mittlerem Einkommen betroffen sind. Berechnungen des Bundes der Steuerzahler zeigen, dass sich die unterjährige Steuerlast im Einzelfall mehr als verdoppeln könnte. Wenn beispielsweise ein Familienteil mit 3.000 (und Steuerklasse 3) und eines mit 1.000 Euro Einkommen (und Steuerklasse 5) besteuert würde, würden beide künftig mit monatlich 324 Euro statt bisher 160 Euro Lohnsteuer belastet. Mit der Reform stünde Paaren mit wenig Geld ein hartes Jahr bevor: Im ersten Steuerjahr müssten sie die Nachzahlung aus zuvor gesparten Steuern nach altem Recht zahlen und mit niedrigeren Nettoeinkünften nach neuem Recht auskommen.

Risiken, Regeln und Ausnahmen

Viele Paare hätten sich mit ihren ungleichen Nettoeinkünften eingerichtet, schrieb ein Bürger dem Finanzausschuss des Bundestages. Oft würde die von der Steuer verwöhnte Hauptverdienerin die gesamten Lebenshaltungskosten der Familie zahlen, und der Nebenverdiener könne frei über sein Geld verfügen. Wenn künftig die Hauptverdienerin ein geringeres monatliches Netto habe, könne das die Kostenverteilung verändern und den wenig verdienenden Ehemann besonders belasten. Es werden Ausnahmen und Bestandsschutzregeln diskutiert. Die SPD verspricht, dass Familien mit nur einem Verdiener auch künftig das eine Einkommen steuerlich auf beide Partner verteilen können. Der finanzpolitische Sprecher der FDP, Markus Herbrand, verlangt gar, dass Paare ihre bisherige Steuergestaltung auf die neuen Steuertarife übertragen können.

Umgehung nicht mehr möglich

Viele Leistungen wie Arbeitslosen- oder Elterngeld sind vom Nettoverdienst abhängig. Dabei ist es egal, nach welcher Steuerklasse der zustande kommt. Ehepaare mit Kinderwunsch, bei denen die nur mäßig verdienende Mutter nach der Geburt zu Hause bleiben möchte, können flugs die Steuerklasse tauschen: sie in Klasse 3, er in Klasse 5. Unterm Strich sinkt zunächst der gemeinsame monatliche Nettoverdienst. Nach der Geburt bekommt sie aber ein deutlich höheres Elterngeld. Die Steuererklärung holt die zu viel gezahlte Lohnsteuer zurück, und die Steuerklassen werden bei erster Gelegenheit wieder getauscht.

Die Steuerreform würde solche Umgehungsmöglichkeiten beenden. Die finanzpolitische Sprecherin der Union, Antje Tillmann, meint, das dürfe nur für neue Ehen gelten: "Rückwirkend halte ich das für unzulässig". Die SPD will die Umgehungsmöglichkeiten für staatliche Zahlungen nicht sofort beenden, sondern mit einem "Übergangszeitraum".

Selbst wenn der Gesetzesentwurf zügig beschlossen wird, wird es bis zur Umsetzung ohnehin eine Übergangszeit geben. Ein Sprecher des Finanzministeriums sagt, die Finanzämter müssten erst mit den nötigen Computerprogrammen ausgestattet werden, um die Berechnungen für die künftigen Steuertarif 4 erledigen zu können. In der SPD ist von der nächsten Wahlperiode die Rede, also in frühestens zwei Jahren.

Was wird aus dem Ehegattensplitting?

Zwar sind sich die drei Regierungsparteien einig, die Reform der Steuertarife zu beschließen. Über einen tieferen gesellschaftspolitischen Zweck herrscht hingegen Uneinigkeit. Die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus erklärte der "Berliner Morgenpost", es gehe um den ersten Schritt zum Ende des Ehegattensplittings, worauf das FDP-geführte Finanzministerium hervorhebt, darum gehe es gerade nicht.

Unter Ehegattensplitting wird die Regel verstanden, eine Ehe oder Partnerschaft steuerlich als wirtschaftliche Einheit zu verstehen. Egal, ob mit Steuerklasse 3, 4 oder 5 werden am Ende Einkommen und Steuerlast auf beide verteilen. "Ein Splitting-Aus würde massive Steuererhöhungen für Ehepaare bedeuten", sagt Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbundes, und er fordert: "Hände weg vom Ehegattensplitting!"

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