Abgeschobene Straftäter aus Afghanistan planen Rückkehr nach Deutschland
Ein sicherer Job, ein besseres Leben – die Gründe, nach Deutschland zu kommen, sind vielfältig. Selbst Asylbewerber, die wegen einer Straftat bereits abgeschoben wurden, halten an ihrem Traum weiter fest. Am 30. August startete erstmals seit drei Jahren ein Abschiebeflug aus Leipzig/Halle nach Kabul, der erste seit der Machtübernahme der Taliban. An Bord waren 28 verurteilte Straftäter aus Afghanistan, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Mord, Totschlag, Raub, Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch von Kindern. Sie haben den Großteil ihrer Strafe in Deutschland verbüßt. Doch nicht alle wollen in ihrer Heimat bleiben.
Rückkehrpläne trotz Abschiebung
„Mein Plan ist es, Geld zu sammeln und wieder nach Europa zu gehen. Hier gibt es keine Arbeit und die Situation hier ist nur schlimmer geworden“, erklärte ein zu drei Jahren verurteilter Straftäter mit dem Decknamen Raheem gegenüber dem ZDF. Bis zum Schluss hatte er wie die anderen nicht an seine Abschiebung in die Heimat geglaubt. „Sogar als wir im Flugzeug saßen, dachte ich, sie bringen uns vielleicht in ein anderes Land“, so Raheem. Doch er sollte sich irren. Nach der Landung wurde klar, er ist zurück in Afghanistan.
Die Situation vor Ort
Die im Land herrschenden Taliban ließen die 28 abgeschobenen Straftäter nach ein paar Tagen Gewahrsam wieder frei. Die in Deutschland begangenen Straftaten fallen vor Ort nicht ins Gewicht. Raheem, der im Jahr 2021 als Anfang 20-Jähriger seine Flucht aus der Heimat antrat, wollte einen sicheren Job in Deutschland finden, um seine Familie zu versorgen. Dafür ließ er seine Frau und die beiden Kinder zurück, verkaufte fast seinen ganzen Besitz und zahlte viel Geld an Schmuggler. Heute ist seine Familie enttäuscht. Denn in Deutschland kam alles anders: Isoliert lebte Raheem in einer Flüchtlingsunterkunft, das Asylverfahren zog sich hin. Ein Streit, in den er nach seinen Angaben verwickelt wurde, wurde ihm zum Verhängnis. Das Urteil lautete drei Jahre Haft.
Deutschland bleibt das Ziel
Auch für den abgeschobenen Shoaib Khojazadeh, der noch vor Monaten in der Nähe der sächsischen Stadt Aue lebte, steht fest: Er will nach Deutschland zurück – notfalls zu Fuß, berichtet die „Welt“. „Deutschland ist ein gutes Land. Man kann da alles machen, was man will in seinem Leben“, sagt der 26-Jährige. Aber das Strafregister des Afghanen ist lang: unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln, Beleidigung, gefährliche Körperverletzung und Vergewaltigung. Die Beziehung zu seiner deutschen Freundin begann zu bröckeln, als sein Asylantrag abgelehnt wurde und die Arbeitserlaubnis erlosch. Der einst freundliche und hilfsbereite Afghane, der in Deutschland ein freies soziales Jahr in einer Behindertenwerkstatt gemacht hatte und Freunden gern auch mal mit Geld aushalf, zeigte plötzlich ein anderes Gesicht. Er begann, seine Freundin und ihre Mutter zu bedrohen, berichtet die „Welt“. Für die Familie ist die Abschiebung eine Erleichterung.
Rechtliche Hürden
Die Chance, dass Khojazadeh als verurteilter Straftäter in Deutschland noch einmal Asyl bekommt, läuft gen null. Gesetzliche Grundlage bildet § 11 des Aufenthaltsgesetzes, das den zuständigen Landesbehörden ermöglicht, im Einzelfall ein Einreise- und Aufenthaltsverbot im jeweiligen Einzelfall zu verhängen. „Derartige Verbote können unter anderem im Rahmen von Grenzkontrollen festgestellt werden“, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung vom 15. Oktober.
Forderungen nach mehr Abschiebungen
Die 28 abgeschobenen Afghanen dürften nur die Spitze vom Eisberg sein. Spätestens seit den Anschlägen von Mannheim am 31. Mai, begangen durch einen 25-jährigen Afghanen, und dem durch einen 26-jährigen Syrer verübten Angriff in Solingen am 23. August 2024 werden die Forderungen laut, die Anzahl der Abschiebungen aus Deutschland weiter voranzutreiben. Flächendeckende Zahlen aus Deutschland gibt es jedoch nicht, denn die Abschiebung ist Ländersache. In Hessen sprach das Innenministerium Mitte Oktober von 91 vollziehbar ausreisepflichtigen Straftätern mit afghanischer Herkunft. In Mecklenburg-Vorpommern waren es nach Aussage von Innenminister Christian Pegel (SPD) Mitte Juli 2024 insgesamt 37 Afghanen und 34 Syrer, die als ausreisepflichtige schwere Straftäter, Intensivtäter oder Gefährder galten. In Bremen und Berlin wurden nicht veröffentlichte Zahlen mit Geheimhaltung begründet.
Warten auf das „grüne Licht“
Allein in Baden-Württemberg gab es zum Stichtag 30. Juni 2024 1.510 geduldete Afghanen, unter ihnen „eine hohe zweistellige Zahl vollziehbar ausreisepflichtig“. Mit anderen Worten: Ihre Abschiebung wäre jederzeit möglich. „Allesamt handelt es sich bei ihnen um schwere Straftäter und Personen, die die Sicherheit des Landes gefährden“, heißt es auf der Website des Landtages. Bei den geduldeten Syrern, die abgeschoben werden könnten, lag die Anzahl im hohen einstelligen Bereich. Was fehle, sei „grünes Licht“ vom Bund. „Der Bund muss weiterhin Abschiebungsmöglichkeiten nach Afghanistan gewährleisten und auch Abschiebungen nach Syrien ermöglichen. Das ist die klare Erwartung von uns und von den Menschen in unserem Land“, forderte Migrations-Staatssekretär Siegfried Lorek (CDU) Mitte September.
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