Viktor Orbán: Zwischen Kiew, Moskau und Peking – Ein Bruch mit westlichen Konventionen
Der ungarische Premierminister Viktor Orbán hat in den vergangenen Tagen mit einer Reihe von diplomatischen Besuchen für Aufsehen gesorgt. Orbán, der sich als Verfechter einer eigenständigen Außenpolitik sieht, hat dabei die westlichen Kontaktverbote bewusst ignoriert und sich mit führenden Politikern aus der Ukraine, Russland und China getroffen.
Eine Reise der Überraschungen
Orbáns Reise begann mit einem Besuch bei dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, seinem ersten Besuch im kriegführenden Land seit dem russischen Einmarsch. Dies war jedoch nur der Auftakt einer mehrtägigen diplomatischen Offensive. Am vergangenen Freitag traf Orbán den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau, bevor er am Sonntag nach China weiterflog, um am Montag mit Präsident Xi Jinping zusammenzukommen. Die letzte Station seiner Reise wird der Nato-Gipfel in Washington sein.
Heftige Kritik aus Europa
Seine Reise ohne europäisches Mandat hat heftige Kritik in prowestlichen Medien hervorgerufen. Die Deutsche Welle beispielsweise bezeichnete das Treffen mit Putin als „rätselhaft“ und meinte, es isoliere Ungarn international und bringe dem Land nur Nachteile. Tatsächlich war der letzte EU-Regierungschef, der Moskau besuchte, der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer im April 2022.
Orbáns eigenständiger Ansatz
Orbán hingegen sieht die Isolationstheorie als überholt an. Er verwies auf den jüngsten Besuch des indischen Premierministers Narendra Modi bei Putin in Moskau und Putins Teilnahme am Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) in Astana, Kasachstan. Die SCO repräsentiert über 40 Prozent der Weltbevölkerung und zählt auch das Nato-Land Türkei zu ihren Dialogpartnern.
Friedensmission oder Faktfindungsreise?
Die Motivation hinter Orbáns Reisen bleibt umstritten. In einem Interview mit den Springer-Medien betonte er, dass Europa unter der Führung der USA eine eigenständige, souveräne Außenpolitik entwickeln solle. Er kritisierte, dass Europa lediglich die amerikanische Kriegspolitik kopiere und keinen eigenen strategischen Ansatz verfolge. Orbán sieht einen grundsätzlichen Fehler darin, dass der Westen den Krieg weiterführen wolle, bis eine konkrete Friedenslösung oder ein ukrainischer Sieg in Sicht sei. Stattdessen plädiert er für Verhandlungen und hält auch einen befristeten Waffenstillstand für eine Option.
Ein Misstrauensvotum an die westlichen Partner
Orbáns eigenmächtige Reise ist auch ein Misstrauensvotum gegenüber seinen westlichen Partnern. Er glaubt nicht, dass Europa mit seiner „Kopie amerikanischer Kriegspolitik“ auf einem erfolgversprechenden Weg ist. Während westliche Militärs darauf setzen, die Russen mit anhaltendem Nachschub und technisch immer moderneren Waffen zu zermürben, wachsen unter den westlichen Bevölkerungen die Zweifel an der Sinnhaftigkeit des täglichen Sterbens mehrerer Hundert Ukrainer und Russen.
Ähnliche Zweifel bewegen auch die großen nichtwestlichen Länder der Brics, der SCO und der G20. Sie befürchten den negativen Einfluss des Krieges auf die globale wirtschaftliche Entwicklung. Orbáns Reise könnte daher auch als Versuch gesehen werden, alternative diplomatische Lösungen zu finden und die Verhandlungsbereitschaft aller Beteiligten zu testen.
Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Ergebnisse Orbáns diplomatische Offensive zeitigen wird. Klar ist jedoch, dass der ungarische Premierminister sich nicht scheut, gegen den Strom zu schwimmen und unkonventionelle Wege zu beschreiten.
- Themen:
- #Wahlen
- Kettner Edelmetalle News
- Finanzen
- Wirtschaft
- Politik