Griechenland führt die 6-Tage-Woche ein: Ein Modell für Deutschland?
Zum 1. Juli 2024 tritt in Griechenland eine neue Regelung in Kraft, die es bestimmten Unternehmen ermöglicht, von der traditionellen 5-Tage-Woche zu einer 6-Tage-Woche zu wechseln. Diese Maßnahme soll den Fachkräftemangel im Land bekämpfen und die wirtschaftliche Erholung vorantreiben. Doch ist dies ein Modell, das auch für Deutschland in Frage käme?
Die neuen Regelungen im Detail
Die neue Regelung in Griechenland betrifft Industrie- und Produktionsbetriebe sowie Unternehmen, die rund um die Uhr Dienstleistungen erbringen. Tourismus und Gastronomie sind von der 6-Tage-Woche ausgenommen. Die gesetzliche Wochenarbeitszeit wird von bisher 40 auf 48 Stunden erhöht. Arbeitnehmer können theoretisch mitentscheiden, ob sie so lange arbeiten möchten. Wer mehr arbeitet, soll auch mehr Lohn erhalten.
Die Maßnahmen zielen darauf ab, die Folgen des Fachkräftemangels zu reduzieren und beinhalten auch den Kampf gegen Schwarzarbeit sowie Anreize zur Weiterbildung. Kostenlose Angebote sollen Arbeitnehmern helfen, sich an die sich verändernden Marktanforderungen anzupassen.
Ein Vorbild für andere Länder?
Während Griechenland die Arbeitszeit verlängert, gehen viele europäische Länder den entgegengesetzten Weg. In Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Spanien und Island experimentieren Firmen mit alternativen Arbeitszeitmodellen. Die Deutsche Bahn und die Gewerkschaft der Lokführer haben sich beispielsweise darauf geeinigt, die normale Wochenarbeitszeit schrittweise von 38 auf 35 Stunden zu reduzieren.
Die Verlängerung der Wochenarbeitszeit in Griechenland steht im Kontrast zu diesen Entwicklungen und wirft die Frage auf, ob längere Arbeitszeiten tatsächlich eine Lösung für wirtschaftliche Probleme sein können.
Griechenlands wirtschaftliche Realität
Griechenland hat in den letzten Jahren viele junge und gut ausgebildete Arbeitskräfte verloren, die im Ausland bessere Chancen sahen. Die Bevölkerung schrumpft, was den Fachkräftemangel in Branchen wie Landwirtschaft, Tourismus und Bauwesen weiter verschärft. Die Jahresarbeitszeit in Griechenland ist laut OECD bereits deutlich länger als in anderen Ländern.
Der monatliche Mindestlohn wurde zwar auf 830 Euro angehoben und soll bis 2027 auf 1.500 Euro steigen, doch reicht dies nicht aus, um frühere Lohnkürzungen und die anhaltend hohe Inflation auszugleichen. Viele Griechen sind gezwungen, zwei Jobs anzunehmen, um über die Runden zu kommen.
Konflikte und Herausforderungen
Die neuen Vorschriften lassen Arbeitgebern viel Spielraum. Es bleibt fraglich, ob Arbeitssuchende die Mehrarbeit verweigern können und bei der bisherigen Fünf-Tage-Woche bleiben dürfen. In Griechenland fehlt oft die gewerkschaftliche Mitbestimmung, vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen. Viele Beschäftigte könnten sich dem Wunsch der Arbeitgeber nach längeren Arbeitszeiten beugen, um ihre Arbeitsplätze nicht zu gefährden.
Mehrere Firmenkunden interessieren sich bereits für die 6-Tage-Woche, um ihre Kapazität und den Service für ihre Kunden zu erhöhen, besonders in Branchen mit schwankendem Arbeitsaufkommen, wie Einzelhandel, Produktion oder Gesundheitswesen.
Ein Allheilmittel?
Die grundlegenden wirtschaftlichen Probleme Griechenlands lassen sich jedoch nicht allein durch eine sechstägige Arbeitswoche lösen. SWP-Forscher Jens Bastian warnt, dass fehlende Arbeitskräfte nicht dauerhaft durch längere Arbeitszeiten ausgeglichen werden können. Griechenland brauche vielmehr strukturelle Veränderungen, die Anreize schaffen, wie bessere Karriereaussichten, Chancengleichheit und höhere Löhne, die auch die Kompetenzen widerspiegeln.
Ob die 6-Tage-Woche ein Modell für Deutschland sein könnte, bleibt fraglich. Die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft sind anders strukturiert, und die aktuellen Experimente mit kürzeren Arbeitszeiten zeigen, dass es auch andere Wege gibt, den Fachkräftemangel zu bekämpfen und die Wirtschaft zu stärken.
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