Geheimhaltung der „Zeitenwende“: Gericht stützt Bundesregierung
Das Berliner Verwaltungsgericht hat kürzlich entschieden, dass die Bundesregierung keine Dokumente zur „Zeitenwende“-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz an das Rechercheportal „Frag den Staat“ herausgeben muss. Diese Entscheidung könnte weitreichende Konsequenzen haben und einen Präzedenzfall schaffen.
Hintergrund des Rechtsstreits
Die Journalisten von „Frag den Staat“ hatten auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) Zugang zu Regierungsdokumenten beantragt, die die Entscheidung zur Einrichtung eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr und die Erhöhung des Verteidigungsetats auf über zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betreffen. Diese Maßnahmen hatte Bundeskanzler Scholz im Februar 2022, kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, angekündigt.
Geheime Dokumente und die Argumentation der Regierung
Das Kanzleramt hatte vier relevante Dokumente identifiziert, die jedoch als Verschlusssachen eingestuft wurden. Drei dieser Dokumente sind sogenannte Leitungsvorlagen aus dem Februar 2022, die Informationen über die Mittelausstattung im Verteidigungsbereich, den Investitionsbedarf im Rüstungsbereich und die Erfüllung der Nato-Ziele enthalten.
Das Gericht folgte der Argumentation der Regierung, dass die Veröffentlichung dieser Dokumente Rückschlüsse auf die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik zulassen könnte, was im Militärbündnis Nato für Unmut sorgen würde. Die Informationen gingen über den öffentlichen Kenntnisstand hinaus und könnten von Dritten genutzt werden, um Fähigkeitslücken der Bundeswehr zu erkennen.
Die „Zeitenwende“-Rede und der Schutz exekutiver Eigenverantwortung
Ein weiteres Dokument, der Entwurf für die „Zeitenwende“-Rede von Scholz, wurde ebenfalls nicht herausgegeben. Das Gericht argumentierte, dass die Veröffentlichung dieses Entwurfs die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung beeinträchtigen könnte. Eine Offenlegung würde es der Öffentlichkeit ermöglichen, Unterschiede zwischen dem Entwurf und der tatsächlichen Regierungserklärung nachzuvollziehen, was die Autorität des Bundeskanzlers untergraben könnte.
Auswirkungen und mögliche Berufung
Das Verwaltungsgericht entschied, dass „Frag den Staat“ in Berufung gehen darf, da das Urteil grundsätzliche Fragen aufwirft. Sollte das Rechercheportal diesen Schritt wagen, könnte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ein wegweisendes Urteil fällen.
Die Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts hat bereits jetzt eine grundsätzliche Bedeutung für den Informationszugang in Deutschland. Es bleibt abzuwarten, wie sich dieser Fall weiterentwickelt und welche Auswirkungen er auf die Transparenz der Regierung haben wird.
In einer Zeit, in der die Bundesregierung immer wieder unter Kritik steht, Entscheidungen hinter verschlossenen Türen zu treffen, ist dieser Fall von besonderer Bedeutung. Die Frage nach der Balance zwischen nationaler Sicherheit und dem Recht auf Information wird in den kommenden Monaten sicherlich weiter diskutiert werden.