Elektronische Patientenakte: Hausärzte warnen vor Chaos und Benachteiligung
Das von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) initiierte Projekt zur Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) steht massiv in der Kritik. Hausärzte und Patientenschützer warnen vor erheblichen Problemen bei der Umsetzung und sehen Nachteile insbesondere für ältere und schwerkranke Patienten.
Kritik an der Einführung der ePA
Ab Anfang des kommenden Jahres soll die ePA für rund 73 Millionen gesetzlich Versicherte in Deutschland eingeführt werden. Lauterbach verspricht sich davon deutliche Verbesserungen für die Patientenversorgung. Doch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sieht neben den Vorteilen auch erhebliche Nachteile.
„Entscheidend ist allerdings, das selbstbestimmte Handeln der Patientinnen und Patienten zu wahren. Deshalb ist die Widerspruchslösung hier inakzeptabel“, betont Brysch. „Schließlich bedeutet Schweigen nicht Zustimmung.“
Benachteiligung für ältere und schwerkranke Patienten
Besonders kritisch sieht Brysch die Auswirkungen auf ältere, schwerkranke und pflegebedürftige Menschen. Diese Patientengruppe könnte durch die ePA benachteiligt werden, da wichtige Altbefunde nicht eingepflegt werden müssen und digital unerfahrene Menschen außen vor bleiben. Mehr als 20 Prozent der über 65-Jährigen gehören zu dieser Personengruppe.
Verstoß gegen Grundrechte?
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Weitergabe anonymisierter Gesundheitsdaten an die pharmazeutische Forschung ohne Zustimmung der Betroffenen. Brysch spricht hier von einem Verstoß gegen Grundrechte. „Viel zu oft verschwinden unliebsame Erkenntnisse in den Schubladen“, kritisiert er.
Hausärzte befürchten Chaos
Auch der Hausärzteverband warnt vor einem „Chaos-Start“. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Co-Vorsitzende des Verbands, äußerte gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe erhebliche Bedenken: „Stand jetzt ist die Umsetzung allerdings so schlecht, dass wir leider mit einem Chaos-Start rechnen müssen.“
Die ePA sei de facto kaum nutzbar, so Buhlinger-Göpfarth. „Diese ePA nun auf über 70 Millionen GKV-Versicherte loszulassen, ist mehr als gewagt.“
Technische und organisatorische Hürden
Markus Beier, ebenfalls Co-Vorsitzender des Hausärzteverbands, sieht die Verantwortung für die aktuelle Situation beim Bundesgesundheitsministerium und den Herstellern. „Es sind jetzt noch ein paar Monate Zeit, um die größten Stolpersteine aus dem Weg zu räumen und damit in einem halben Jahr das zu schaffen, was in den Jahren davor nicht gelungen ist: eine ePA auf die Straße zu bringen, die tatsächlich die Versorgung verbessert“, sagte Beier.
Politik aus dem „Elfenbeinturm“
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) teilt die Befürchtungen des Hausärzteverbands. Präsidentschef Dr. Michael Hubmann kritisiert, dass die technischen Voraussetzungen für eine Pflichtbefüllung durch die Praxisverwaltungssysteme nicht gegeben seien. „Was das neue Digitalgesetz jedoch in Bezug auf die ePA-Befüllung vorsieht, ist ein nicht-praktikabler Vorschlag aus dem Elfenbeinturm der Politik“, so Hubmann.
Die elektronische Patientenakte ist seit 2021 auf Verlangen von Versicherten verfügbar. Im Jahr 2025 soll es zunächst eine vierwöchige Testphase in Modellregionen geben, anschließend soll die Akte für alle gesetzlich Versicherten kommen. Versicherte, die das nicht möchten, müssen dem Anlegen ihrer ePA ausdrücklich widersprechen.
- Themen:
- #SPD
- Kettner Edelmetalle News
- Finanzen
- Wirtschaft
- Politik