Die Türkei und der Brics-Beitritt: Ein Paradigmenwechsel in der Außenpolitik?
Die Türkei hat kürzlich Aufsehen erregt, indem sie offiziell einen Antrag auf Beitritt zur Brics Plus-Gruppe gestellt hat. Dieser Schritt könnte als Zeichen für eine wachsende Skepsis gegenüber dem Westen und insbesondere gegenüber den etablierten westlichen Institutionen gedeutet werden. Präsident Recep Tayyip Erdogan, der bekannt dafür ist, nach seiner eigenen Pfeife zu tanzen, scheint das Land in eine neue geopolitische Richtung zu lenken.
Wachsende Skepsis gegenüber dem Westen
Ein Blick auf die jüngsten internationalen Entwicklungen verdeutlicht die wachsende Distanz der Türkei zum Westen. Bei der Abstimmung der Vereinten Nationen im Dezember 2022 über eine neue internationale Wirtschaftsordnung enthielt sich die Türkei als einziges Land der Stimme. Dies könnte als Symbol für eine Außenpolitik gesehen werden, die die Kluft zwischen Europa und Asien, Ost und West, Nord und Süd überbrückt. Auch die zurückhaltende Unterstützung für den NATO-Beitritt Schwedens zeigt die Unzufriedenheit Ankaras mit den westlichen Bündnissen.
Die Brics-Gruppe: Eine Alternative zum Westen?
Die Brics-Gruppe, bestehend aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, wurde 2006 als Gegenpol zu den westlich dominierten globalen Governance-Mechanismen gegründet. Die Türkei hat bereits 2018 Interesse an einer Mitgliedschaft gezeigt und wurde zum jährlichen Brics-Gipfel eingeladen. Der aktuelle Antrag auf Vollmitgliedschaft könnte daher als logische Fortsetzung dieser Bestrebungen gesehen werden.
Zwischen zwei Welten?
Die Türkei erstreckt sich über zwei Kontinente und hat sich seit langem um eine engere Anbindung an den europäischen Markt bemüht. Trotz zahlreicher Handelsabkommen und militärischer Zusammenarbeit mit der NATO bleibt die Vollmitgliedschaft in der EU jedoch unerreichbar. Mit über 85 Millionen Einwohnern wäre die Türkei das größte Land der EU und würde eine Schlüsselrolle in der Verwaltung und Führung der Union spielen. Doch die zunehmende arabische und afrikanische Migration nach Europa und die damit einhergehenden einwandererfeindlichen und antimuslimischen Stimmungen machen eine Vollmitgliedschaft unwahrscheinlicher denn je.
Europa: Ein Garten im "Dschungel"?
Die europäische Selbstwahrnehmung als "weiß und christlich" wird durch Äußerungen hochrangiger Politiker wie Josep Borrell, dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, verstärkt. In einer Rede 2022 bezeichnete er Europa als einen "Garten", während der Rest der Welt ein "Dschungel" sei, der den Garten überwuchern könnte. Diese Äußerung, für die er sich später entschuldigte, spiegelt die tief verwurzelten Vorurteile und Ängste wider, die eine engere Integration der Türkei in die EU erschweren.
Fazit
Der türkische Antrag auf Beitritt zur Brics Plus-Gruppe könnte als Zeichen für eine Neuausrichtung der türkischen Außenpolitik interpretiert werden. Angesichts der wachsenden Skepsis gegenüber dem Westen und der Schwierigkeiten, eine Vollmitgliedschaft in der EU zu erreichen, scheint die Türkei nach neuen Wegen zu suchen, ihre geopolitischen Ziele zu verwirklichen. Ob dieser Schritt langfristig erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten.
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