Die meisten Franzosen wählten RN – warum die Linken trotzdem stärkste Kraft sind
Marine Le Pens RN ist nur drittplatzierter bei der Parlamentswahl in Frankreich. Was jedoch oft untergeht: Die rechte Partei hat in Summe deutlich mehr Stimmen erhalten als alle anderen Parteien. Dass sie im Ergebnis trotzdem so schlecht abschneidet, liegt am französischen Wahlrecht.
Wahlergebnisse im Detail
Die Ergebnisse der zweiten Wahlrunde zur Nationalversammlung warfen die „Rassemblement National“ in ihrem Machtstreben scheinbar zurück. Hatten Analysten zunächst noch einen Durchmarsch der rechten Partei um Marine Le Pen befürchtet, feierten viele politische Gegner der Rechten das Wahlergebnis als eine Niederlage und „Fiasko“ für die RN. Doch ein unterbeleuchteter Aspekt scheint ihnen entgangen zu sein.
In allen deutschen Medien sah man am Sonntag und Montag die Sitzverteilung in der Nationalversammlung nach der Wahl: Das linke bis linksradikale Bündnis NFP gewann mit 177 die meisten Sitze, Macrons Mitte-Bündnis folgte mit 148 Sitzen. Die RN und ihre Verbündeten erhielten lediglich 142 Sitze. Was jedoch kaum Beachtung findet: Gemessen am prozentualen Stimmanteil ist die Le-Pen-Partei klarer Wahlsieger und hängt alle anderen ab.
Prozentuale Stimmanteile
So erhielt die RN 37,1 Prozent der Stimmen – und ist, daran gemessen, der klare Wahlsieger. Die NFP, die die Wahl gemessen am Sitzanteil gewonnen hat, hat tatsächlich nur 26 Prozent der Stimmen erhalten und ist damit über 11 Prozent schwächer. Macrons Parteienbündnis erhielt 23,2 Prozent der Wählerstimmen.
Das Wahlrecht machte Le Pen einen Strich durch die Rechnung
Dass das Parlament am Ende trotzdem so aussieht, wie es nun aussieht, liegt am französischen Wahlrecht: In Frankreich gilt nicht, wie in Deutschland, ein Verhältniswahlrecht, sondern ein reines Mehrheitswahlrecht. Nach diesem Prinzip laufen zum Beispiel auch die Wahlen in den USA oder Großbritannien. Hier gilt: „The winner takes it all“. Wer die meisten Stimmen in einem Wahlkreis erringt, gewinnt ihn – die restlichen Stimmen werden nicht gewertet. So werden auch in Deutschland Wahlkreismandate entschieden – aber eine Zweitstimme, die dazu beiträgt, die Haltung der Gesamtbevölkerung besser abzubilden, gibt es in Frankreich nicht.
Ein Deal verhinderte den RN-Durchmarsch
Diesen Umstand haben sich Macron und das Linksbündnis um den Extremisten Jean-Luc Mélenchon zunutze gemacht: Nachdem der RN in der ersten Runde der Parlamentswahlen deutlich gewonnen hatte, setzten sich Liberale und Linke zusammen, um den Rechten gemeinsam den Weg zur Macht zu versperren. Beide Lager entschieden sich, ihre jeweiligen Kandidaten aus Rennen ausscheiden zu lassen, bei denen sie kaum eine Chance hatten, zu gewinnen. So traten in vielen Wahlkreisen oft nur zwei Kandidaten an, ein RN-Vertreter gegen einen von Renaissance oder NFP. In einem hitzigen Verhinderungswahlkampf gegen Rechts schafften es dann die Anti-RN-Kandidaten oft, sich durchzusetzen – und viele von ihnen waren NFP-Vertreter.
Insgesamt aber wählten die meisten Franzosen, relativ gesehen, die Rechten. Ein Aspekt, der in vielen deutschen Medien und auch bei allen, die die (vermeintliche) Niederlage der RN feiern, gar nicht beleuchtet wird.
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