Die elektronische Patientenakte: Ein trojanisches Pferd im Gesundheitssystem?
Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) in Deutschland ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits verspricht sie eine effizientere Gesundheitsversorgung, indem sie den Zugriff auf Patientendaten vereinfacht und somit die Behandlung verbessert. Doch andererseits eröffnet sie Tür und Tor für eine beispiellose Datensammlung und -nutzung, die weit über das hinausgeht, was Patienten und Patientinnen erwarten – oder wünschen.
Automatisierte Datenflüsse und die Illusion der Kontrolle
Wie von Dr. Andreas Meißner befürchtet, könnte die ePA das Ende der ärztlichen Schweigepflicht bedeuten. Die Daten der Patienten fließen nun automatisch in staatliche Forschungszentren und den europäischen Datenraum – ein Prozess, der ohne das aktive Widersetzen des Einzelnen geschieht. Die Kontrolle über die eigenen Daten zu behalten, wird zur Herausforderung, und die Möglichkeit, dass Konzerne wie Amazon und Google Zugriff auf diese sensiblen Informationen beantragen können, ist mehr als beunruhigend.
Die ePA: Ein verpflichtendes Übel?
Die ePA wird nun für jeden Bürger verbindlich, ein Umstand, der von manchen als Zwang empfunden wird. Die Pflicht zur Befüllung der ePA durch Ärzte und Ärztinnen, ohne dass Patienten eine echte Entscheidungsgewalt über ihre Daten haben, ist ein klares Beispiel für den Verlust von Autonomie im Gesundheitswesen. Es entsteht der Eindruck, dass der Einzelne zu einer bloßen Datenquelle für eine immer größer werdende Gesundheitsindustrie degradiert wird.
Kritische Stimmen und die Frage der Forschungsethik
Es wird argumentiert, dass die Daten für gemeinwohlorientierte Forschung genutzt werden sollen. Doch die Grenzen zwischen Gemeinwohl und Gewinnorientierung sind fließend, und die Verflechtungen zwischen Universitäten und der Industrie lassen Zweifel an der rein altruistischen Nutzung der Daten aufkommen. Die Entscheidungsgewalt über die Datenfreigabe liegt bei einer Behörde, die selbst politische Interessen verfolgen könnte.
Die Rolle des Bürgers: Zwischen Überforderung und moralischem Druck
Auch wenn offiziell keine Nachteile für Patienten entstehen sollen, die der Datenweitergabe widersprechen, ist der moralische Druck, seine Daten "solidarisch zu spenden", hoch. Die Gefahr besteht, dass viele Bürger aus Unwissenheit, Gleichgültigkeit oder Angst vor Nachteilen ihre Zustimmung geben, ohne die Tragweite ihrer Entscheidung zu überblicken.
Der Kern des Problems: Vertrauen statt Datenhandel
Die entscheidende Währung im Gesundheitswesen sollte nicht Daten, sondern Vertrauen sein. Vertrauen darauf, dass die eigenen Informationen geschützt sind und nicht für andere Zwecke als die Behandlung und Beratung genutzt werden. Die elektronische Patientenakte könnte dieses Vertrauen untergraben und das fundamentale Prinzip der Schweigepflicht aushöhlen.
Fazit: Vorsicht geboten
Die ePA hat das Potenzial, die Gesundheitsversorgung zu verbessern, aber sie birgt auch erhebliche Risiken für den Datenschutz und die Patientenautonomie. Es ist entscheidend, dass die Bürger über ihre Rechte und Möglichkeiten zum Widerspruch aufgeklärt werden. Die Gesundheitspolitik muss sicherstellen, dass die Interessen der Patienten an erster Stelle stehen und nicht die einer datenhungrigen Industrie.
Die Einführung der elektronischen Patientenakte erfordert eine kritische Betrachtung und eine wachsame Öffentlichkeit, um den Schutz der persönlichen Daten und die Wahrung der Patientenrechte zu garantieren.
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