Wirtschaftliche Disparitäten: EM 2024 belebt Westdeutschland, doch der Osten bleibt zurück
Die Fußball-Europameisterschaft 2024 verspricht, ein Fest für Fans und eine Wohltat für die deutsche Wirtschaft zu sein. Experten des renommierten Ifo-Instituts prognostizieren einen kräftigen Wirtschaftsschub, der durch die Ankunft ausländischer Touristen ausgelöst wird. Schätzungen zufolge könnten die Besucher der EM bis zu einer Milliarde Euro in die Kassen spülen, ein nicht zu unterschätzender Beitrag von etwa 0,1 Prozent zur Wirtschaftsleistung des zweiten Quartals.
Westdeutschland im Fokus – Ostdeutschland bleibt außen vor
Die Erwartungen sind hoch, denn die Erinnerungen an die Weltmeisterschaft 2006 sind noch lebendig, als die Ankünfte und Übernachtungen von ausländischen Gästen um jeweils 25 Prozent in die Höhe schnellten. Doch bei all den positiven Prognosen offenbart sich ein Ungleichgewicht, das Anlass zur Sorge gibt: Von den zehn Austragungsorten der EM 2024 befinden sich lediglich zwei in Ostdeutschland – Berlin und Leipzig. Warum ist das so?
Die Ursachen sind schnell gefunden: Ostdeutschland verfügt schlichtweg über weniger große Fußballstadien, die für ein derartiges Großereignis geeignet sind. Dies könnte auch erklären, warum sich abgesehen von Leipzig und Berlin nur Dresden für die EM beim Deutschen Fußball-Bund beworben hatte. Ein Vergleich verdeutlicht die Dimensionen: Das Leipziger Stadion, die kleinste EM-Arena, bietet Platz für etwa 42.000 Zuschauer – ein deutlicher Unterschied zu Stadien wie dem Hamburger Volksparkstadion oder dem Berliner Olympiastadion mit Kapazitäten von bis zu 75.000 Plätzen.
Kurzlebiger Wirtschaftsboom und verpasste Chancen
Während Städte wie Berlin, München, Stuttgart und Hamburg sich auf einen Ansturm von Millionen Besuchern und die damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteile freuen dürfen, bleibt der Osten größtenteils außen vor. Die Forscher des Ifo-Instituts betonen, dass der positive Effekt auf die Wirtschaft zwar spürbar, aber eher kurzlebig sein wird. Nach Ende der EM ist mit einem Rückgang der Dienstleistungsexporte zu rechnen.
Doch es geht nicht nur um Geld. Die EM soll auch das internationale Image der Austragungsorte aufpolieren. Die weltweite Übertragung in 210 Länder könnte einen unbezahlbaren Werbeeffekt haben – von dem allerdings vornehmlich der Westen Deutschlands profitieren wird.
In Leipzig hingegen schürt die Teilnahme als Austragungsort große Hoffnungen. Lokale Politiker und Bürger zeigen sich begeistert und sehen in der EM eine Chance, die Stadt und die Region positiv zu präsentieren. Die Begeisterung ist groß, und die Erwartung, dass die Besucher nicht nur für Umsatz sorgen, sondern auch mit einem positiven Bild von Sachsen heimkehren werden, ist unübersehbar.
Kritische Stimmen und die Suche nach Gerechtigkeit
Die Verteilung der EM-Austragungsorte wirft jedoch Fragen auf, die über den Sport hinausgehen. Während der Westen von den wirtschaftlichen Impulsen profitiert, offenbart sich im Osten eine verpasste Gelegenheit, die regionale Entwicklung voranzutreiben. Es ist ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Disparitäten, die sich in Deutschland hartnäckig halten und die Notwendigkeit einer ausgewogeneren Wirtschaftspolitik unterstreichen.
Die Europameisterschaft könnte und sollte ein Fest für ganz Deutschland sein. Doch solange strukturelle Ungleichheiten bestehen, wird das Land in zwei Geschwindigkeiten voranschreiten – mit dem Westen, der im Scheinwerferlicht tanzt, während der Osten im Schatten steht und auf seine Chance wartet.
Die EM 2024 ist mehr als ein Sportereignis; sie ist ein Prüfstein für die Einheit und Gerechtigkeit innerhalb des Landes. Es bleibt zu hoffen, dass die Euphorie des Fußballs auch zu einem Anstoß für politische und wirtschaftliche Veränderungen wird, die allen Regionen Deutschlands zugutekommen.
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