Top-Ökonom Clemens Fuest über Deutschlands Dauerkrise: "Angeschmiert sind die kurz vor der Rente"
Deutschland befindet sich in einer Dauerkrise: Die Wirtschaft schwächelt, und dem Staat fehlt es an Geld. In einem Interview mit dem Top-Ökonomen Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, beleuchtet t-online die aktuellen Herausforderungen und möglichen Lösungen für die deutsche Wirtschaft.
Wirtschaftliche Stagnation trotz Fußball-Euphorie
Während Deutschland im Fußball auf ein Sommermärchen hoffen kann, sieht es für die Wirtschaft düster aus. Fuest erklärt, dass der ökonomische Effekt von Sportevents wie der Heim-EM minimal sei. Zwar kämen einige Hunderttausend Fans ins Land, doch die steigenden Hotelpreise würden andere Touristen abschrecken, wodurch sich der Effekt ausgleiche. Auch der Einzelhandel profitiere nur kurzfristig.
"Der Fußball lenkt eine Zeitlang von unseren Problemen ab. Das tut Deutschland gut. Aber gelöst sind die Probleme deshalb nicht," so Fuest.
Vielfältige Krisen und die Wettbewerbsfähigkeit
Deutschland kämpft mit einer Vielzahl von Krisen gleichzeitig: Alterung der Gesellschaft, Rückgang an Arbeitskräften, die Klimakrise und geopolitische Spannungen. Besonders der Wegfall der Gasimporte aus Russland verteuert die Energieversorgung und beeinträchtigt den internationalen Handel. Fuest betont, dass Deutschland aufgrund seiner hohen Exportabhängigkeit stärker betroffen sei als andere Länder.
Der Abstieg war absehbar
Fuest führt aus, dass der Abstieg Deutschlands nicht überraschend komme. Die Bevölkerungsentwicklung habe gezeigt, dass immer weniger Menschen arbeiten werden. Dies führe zu einem wirtschaftlichen Gegenwind, der durch kluge Kombinationen aus staatlichem und privatem Handeln bewältigt werden müsse.
Ende des Etatismus-Zyklus und notwendige Reformen
Die Wirtschaftspolitik sei von langen Zyklen geprägt, so Fuest. Der aktuelle Zyklus des Etatismus, der fast 20 Jahre andauerte, gehe zu Ende. Es brauche nun eine neue Agenda-Politik, die eine kluge Kombination aus staatlichem und privatem Handeln beinhalte. Ein Beispiel sei die Klimapolitik, bei der der Staat harte Vorgaben machen solle, die Verteilung der Emissionen jedoch dem Markt überlassen könne.
"Politiker tun gut daran, den Wählern die Wahrheit zuzumuten," erklärt Fuest.
Kritik an der Rentenpolitik der Ampelkoalition
Fuest kritisiert das jüngst vorgestellte Rentenpaket der Ampelkoalition scharf. Die Regierung erhöhe die Renten auf Kosten der Jüngeren, anstatt in die Zukunft zu investieren. Dies sei zwar rational aus politischer Sicht, um Wahlen zu gewinnen, jedoch nicht zukunftsorientiert.
Verteilung der Lasten des demografischen Wandels
Die Lasten des demografischen Wandels müssten gerecht verteilt werden. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters sei plausibel, belaste jedoch vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen. Fuest betont, dass Rentenkürzungen die Lasten breiter verteilen und Menschen mit längerer Lebenserwartung stärker beteiligen würden.
Schuldenpolitik und wirtschaftliche Erholung
Die Ampelregierung verhandelt derzeit über den Haushalt, wobei SPD und Grüne mehr Schulden ins Spiel bringen. Fuest warnt davor, dass dies nur die Preise hochtreiben würde, da es keine zusätzlichen Arbeitskräfte gebe. Die bestehenden Schulden seien bei einer schrumpfenden Bevölkerung ohnehin schon belastend.
Wirtschaftliche Erholung in Sicht?
Fuest sieht eine wirtschaftliche Erholung als möglich an, warnt jedoch vor vielen Risiken. Die Bilanz der Bundesregierung sei durchwachsen: Während das kurzfristige Krisenmanagement gut funktioniert habe, fehle es an einem Konzept zur Bewältigung der großen ökonomischen Herausforderungen.
"Die Ampel hat so etwas wie einen gesellschaftlichen Reifungsprozess angestoßen," findet der Ökonom.
Fazit
Deutschland steht vor großen Herausforderungen, die nur durch eine kluge Kombination aus staatlichem und privatem Handeln gemeistert werden können. Die Rentenpolitik der Ampelkoalition und die Schuldenpolitik werden dabei kritisch gesehen. Dennoch gibt es Hoffnung auf eine wirtschaftliche Erholung, wenn die richtigen Maßnahmen ergriffen werden.
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