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13.09.2024
06:08 Uhr

O2 überwachte heimlich seine Kunden: Ein Skandal ohne Rechtsgrundlage

O2 überwachte heimlich seine Kunden: Ein Skandal ohne Rechtsgrundlage

Im Jahr 2020 führte der Telekommunikationsdienstleister O2 eine großflächige Überwachung seiner Kunden durch. Diese Maßnahme, bekannt als IP-Catching, wurde vom Amtsgericht Frankfurt am Main angeordnet, obwohl keine rechtliche Grundlage dafür bestand. Die Überwachung erfolgte auf Anweisung des BKA im Rahmen von Ermittlungen gegen die pädokriminelle Darknet-Plattform „Boystown“.

Die Hintergründe der Überwachung

Wie Recherchen des ARD-Magazins „Panorama“ und „STRG_F“ ergeben haben sollen, erhielt O2 den Auftrag, das IP-Catching anzuwenden und für bis zu drei Monate zu überwachen, welche Kunden sich mit dem Server der Plattform verbinden. Hintergrund war ein Tipp aus dem Ausland, dass sich der Administrator der Plattform über einen Telefónica-Mobilfunkanschluss ins Internet einwählte.

Ermittlungserfolg mit fragwürdigen Mitteln

Durch das IP-Catching wurde der mutmaßliche Betreiber der Plattform, Andreas G. aus Nordrhein-Westfalen, identifiziert. Dieser wurde 2022 vom Landgericht Frankfurt am Main zu mehr als zehn Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. G. gestand die Tat und kooperierte mit den Ermittlern, ohne die Überwachung durch seinen Mobilfunkanbieter juristisch prüfen zu lassen. Angeblich soll die Überwachung binnen „weniger Tage“ wieder beendet worden sein, da G. rasch gefasst wurde.

Rechtliche und ethische Bedenken

Obwohl der Erfolg der Ermittlungen gegen Kinderschänder zu begrüßen ist, bleibt die Frage nach der Rechtmäßigkeit der angewendeten Methoden bestehen. Dominik Brodowski, Professor für Digitalisierung des Strafrechts an der Universität des Saarlandes, kritisierte das Vorgehen: „Wohlwollend gesprochen handelt es sich um ein hochgradig kreatives Vorgehen der Ermittlungsbehörden, bei dem verschiedene Eingriffsgrundlagen der Strafprozessordnung munter zusammengewürfelt wurden.“

Das Amtsgericht Frankfurt am Main argumentierte, dass die Maßnahme aufgrund der Schwere der Straftaten verhältnismäßig sei, obwohl es eine „unvermeidbare Drittbetroffenheit“ unschuldiger O2-Kunden gebe. Telefónica hingegen stellte sich auf den Standpunkt, dass man zur Umsetzung solcher Beschlüsse gesetzlich verpflichtet sei.

Gefährliche Präzedenzfälle

Benjamin Lück von der Gesellschaft für Freiheitsrechte bezeichnete die Anwendung des IP-Catchings als „tiefgreifenden Eingriff in die Rechte Unbeteiligter“ und verglich die Maßnahme mit einer „Vorratsdatenspeicherung light“. Die Besorgnis wächst, dass solche Methoden in Zukunft auch gegen andere vermeintliche „Verbrecher“ angewendet werden könnten.

Eine bedenkliche Entwicklung

In Zeiten, in denen tatsächliche Strafbarkeit für Regierende keine nennenswerte Rolle mehr spielt und jede Regierungskritik zur „Delegitimierung des Staats“ erhoben werden kann, steuert man mit solchen Maßnahmen eine gefährliche Abwärtsspirale an. Es stellt sich die Frage, ob das deutsche Innenministerium demnächst ein IP-Catching durch alle Internet- und Mobilfunkanbieter zur Erfassung von Besuchern bestimmter Websites anordnen könnte.

Die Überwachung der Bürger schreitet voran, und unbescholtene Normalbürger könnten bereits auf Überwachungslisten geführt werden, ohne es zu wissen. Diese Entwicklungen werfen ernsthafte Fragen zur Wahrung der Bürgerrechte und zur Balance zwischen Sicherheit und Freiheit auf.

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