Die Lehren aus dem Fall Lilium: Deutschlands Umgang mit Zukunftstechnologien
Das bayrische Start-up Lilium steht vor dem Aus. Wie es mit der Technologie des Entwicklers elektrischer Senkrechtstarter weitergeht, ist ungewiss. Häme ist da unangebracht – Deutschland bräuchte viel mehr mutige Gründer wie die von Lilium, auch wenn nicht alle Ideen aufgehen.
Eine Debatte über Zukunftstechnologien
Der Fall Lilium hat eine Debatte über den Umgang Deutschlands mit Zukunftstechnologien ausgelöst. Lilium-Mitgründer Daniel Wiegand erklärte im Interview mit der F.A.Z., dass die Entscheidung über sein Unternehmen eine Standortfrage sei. Auch der Start-up-Verband warb zusammen mit prominenten Hightechgründern für eine staatliche Bürgschaft für Lilium.
Warum eine Rettung Liliums der falsche Weg wäre
Eine Rettung Liliums wäre der falsche Weg gewesen. Angesichts der strukturellen Krise vieler deutscher Kernindustrien, wie der Automobilbranche, tut Deutschland gut daran, mehr vielversprechende Unternehmen in zukunftsträchtigen Branchen hervorzubringen. Quantencomputing, Robotik, Kernfusion oder Raumfahrt sind nur einige Beispiele. Diese sogenannten Deeptech-Branchen benötigen exzellente wissenschaftliche Grundlagenarbeit und talentierte Ingenieure – beides ist in Deutschland vorhanden.
Das Problem des Wachstumskapitals
Rund um praxisorientierte Hochschulen wie in München, Aachen oder Darmstadt sind in den vergangenen Jahren Ökosysteme junger, wissenschaftsgetriebener Gründer entstanden. Die Pipeline guter Ideen für hochkomplexe technische Probleme ist voll. Zu Beginn gibt es in Deutschland durch staatliche Förderungen und privates Wagniskapital genug Geld für solche Deeptech-Start-ups. Doch für diejenigen Start-ups, die Erfolg haben und größere Summen für die Expansion benötigen, wird es schwierig. Finanzierungsrunden jenseits der 100 Millionen Euro sind hierzulande immer noch schwer realisierbar.
Lilium hatte diese Hürde eigentlich schon überwunden, 1,5 Milliarden Euro einzusammeln ist eher die Ausnahme als die Regel. Lilium ist nicht daran gescheitert, dass private Geldgeber nicht bereit waren, hohe Summen zu investieren, sondern daran, dass diese irgendwann das Vertrauen in das Start-up verloren haben. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, dies mit Steuergeldern auszugleichen.
Der Staat als Unternehmer?
Gegen eine staatliche Unterstützung Liliums sprechen neben technischen Zweifeln auch grundsätzliche Überlegungen. Rettet der Staat ein Start-up mit Steuergeld, steht weiteren Rettungsaktionen Tür und Tor offen. Wer den Staat nicht für den besseren Unternehmer hält, sollte dem skeptisch gegenüberstehen. Statt willkürlich finanzielle Löcher einzelner Unternehmen zu stopfen, sollte der Staat lieber dazu beitragen, dass alle vielversprechenden Deeptech-Unternehmen besseren Zugang zu privatem Kapital erhalten.
Die Mobilisierung des Anlagevolumens
Der größte Hebel dafür liegt in der Mobilisierung des enormen Anlagevolumens deutscher Versicherer und Banken für den Wagniskapitalmarkt. In den USA stammen gut 70 Prozent des Wagniskapitals von Pensionsfonds und Stiftungen. In Deutschland gibt es diese Masse an Pensionsfonds aufgrund des Umlageverfahrens der Rente nicht. Wenn deutsche Versicherer aber zumindest einen kleinen Teil ihrer verwalteten Milliarden in Start-ups stecken würden, wäre das ein großer Hebel.
Die „WIN-Initiative“ der Bundesregierung im Verbund mit der staatlichen Förderbank KfW und einigen großen Versicherern, Banken und Industriekonzernen geht einen wichtigen Schritt in diese Richtung. Die Unternehmen haben sich verpflichtet, bis 2030 zwölf Milliarden Euro zu investieren. Der Start-up-Verband und die KfW kalkulieren mit 30 Milliarden Euro jährlich für die Innovationsfinanzierung. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, wenn auch mehr Family Offices die renditestarke Anlageklasse Wagniskapital für sich entdecken würden, so wie das in den Vereinigten Staaten schon der Fall ist.
Fazit
Selbstverständlich kommen auch Deeptech-Start-ups in den USA und schon gar nicht in China ohne Staatsgelder aus. Auch Deutschland kann hier mehr tun, aber eben nicht, indem der Staat die Finanzierungslücken ausgewählter einzelner Unternehmen stopft. Ein guter Mechanismus ist die Agentur für Sprunginnovationen (SPRIND), die nach einigen Anlaufschwierigkeiten inzwischen gute Arbeit leistet.
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