Deutschlands Chemieindustrie in der Krise: Massive Umsatzrückgänge und Stellenabbau
Die deutsche Chemieindustrie, der drittgrößte Industriezweig des Landes, steht vor einer der schwersten Krisen ihrer Geschichte. Besonders betroffen ist der Chemiekonzern BASF, der sich mit einem drastischen Umsatzrückgang und enormen Energiekosten konfrontiert sieht. Diese Entwicklung könnte weitreichende Konsequenzen für den Standort Deutschland haben.
Hohe Energiekosten als Hauptursache
Die Chemiebranche ist bekanntlich die energieintensivste Industrie Deutschlands. Im Jahr 2022 entfielen rund acht Prozent des gesamten deutschen Energieverbrauchs auf diesen Sektor. BASF, der größte industrielle Gasverbraucher und Marktführer der Branche, musste allein im Jahr 2022 zusätzliche Energiekosten in Höhe von 3,2 Milliarden Euro verkraften, davon 2,2 Milliarden Euro für Erdgas.
Umsatzeinbrüche und Standortprobleme
Doch die Herausforderungen beschränken sich nicht nur auf die Energiekosten. Auch die weltweite Nachfrage nach chemischen Produkten ist stark zurückgegangen. BASF verzeichnete im zweiten Quartal 2023 einen Umsatzrückgang von 24,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders betroffen sind die Geschäftsbereiche „Chemicals“ und „Materials“, deren Umsätze um 38,4 Prozent bzw. 25,8 Prozent eingebrochen sind.
Der Standort Ludwigshafen, der Stammsitz von BASF, schreibt seit Jahren Verluste, während internationale Standorte weiterhin profitabel arbeiten. Um dem finanziellen Druck entgegenzuwirken, plant BASF bis 2026 ein Siebtel der Produktionsanlagen in Ludwigshafen stillzulegen. Dies soll Einsparungen von insgesamt 2,1 Milliarden Euro bringen, wobei 200 Millionen Euro davon bis 2026 realisiert werden sollen. Diese Maßnahmen könnten langfristig zu einem Stellenabbau im vierstelligen Bereich führen.
Verlagerung nach Asien
Die Zukunft von BASF in Deutschland erscheint immer ungewisser. Der Konzern richtet seinen Fokus zunehmend auf den asiatischen Markt, insbesondere auf China. Der Bau eines gigantischen Werks in Zhanjiang, das bis 2030 fertiggestellt werden soll, könnte einen Wendepunkt für das Unternehmen bedeuten. Eine Abwanderung des Chemiekonzerns aus Deutschland ist mittlerweile keine unrealistische Option mehr.
Weitere Chemiekonzerne in der Krise
Auch andere deutsche Chemiekonzerne wie Evonik und Lanxess kämpfen mit ähnlichen Schwierigkeiten. Evonik, Deutschlands drittgrößter Chemieproduzent, verzeichnete 2023 einen Umsatzrückgang von 17 Prozent auf 15,3 Milliarden Euro und einen Nettoverlust von 465 Millionen Euro. Das Unternehmen plant den Abbau von weltweit 2.000 Arbeitsplätzen, davon 1.500 in Deutschland.
Lanxess steht vor vergleichbaren Herausforderungen. Der Umsatz fiel um 17 Prozent auf 6,7 Milliarden Euro, begleitet von einem Verlust von rund 843 Millionen Euro im fortgeführten Geschäft. Auch hier ist ein massiver Sparkurs notwendig, um Entlastung zu schaffen. Der Chemieriese plant, ab 2025 die jährlichen Kosten um 150 Millionen Euro zu senken, was mit einem globalen Stellenabbau von 870 Arbeitsplätzen einhergeht, davon 460 in Deutschland.
Regulierungen und staatliche Unterstützung
Zusätzlich zu den wirtschaftlichen Herausforderungen stehen die deutschen Chemieunternehmen vor einer Fülle neuer Regulierungen. Insbesondere die strengen Umweltvorschriften setzen den Unternehmen erheblich zu. Bundeskanzler Olaf Scholz hat kürzlich auf einem Chemiegipfel in Berlin zumindest Bereitschaft signalisiert, der Branche unter die Arme zu greifen. Er versprach, sich für niedrigere Strompreise starkzumachen und die Strompreiskompensation bis 2030 zu verlängern.
Doch auch wenn kurzfristige Strompreissenkungen den großen Chemiekonzernen eine temporäre Atempause verschaffen könnten, lösen sie das eigentliche Problem nicht. Langfristig müssen die Standortkosten für Großunternehmen radikal gesenkt werden – dazu gehören eine Reduktion steuerlicher Abgaben, der Abbau von Bürokratie und vor allem eine verlässliche, kostengünstige Energieversorgung.
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